Thomas Multhaup zu „Ökologische Bestattungsformen“
Trauerredner / 1. Vorstand der BATF
„Ich möchte gerne ökologisch bestattet werden!“ – Das klingt (noch) sehr ungewohnt. Doch dieser Wunsch wird immer wieder und immer häufiger geäußert.
Welches Angebot kann die Bestattungsbranche dazu machen?
Der ökologische Sachstand bei Erd- und Feuerbestattungen ist der folgende:
Bei einer Erdbestattung gelangen verschiedene Schadstoffe wie medizinische Implantate, Medikamente, Quecksilber, synthetische Kunststoffe durch Textilien oder Sargbeigaben und Holzlacke ins Erdreich und verunreinigen Boden und Grundwasser.
Das Hauptproblem bei der Feuerbestattung ist neben dem hohen Energieeinsatz (Strom, Gas) die Entstehung von Emissionen durch den eigentlichen Verbrennungsprozess.
Würde zudem eine Urne aus Metall beigesetzt, gelangten zusätzlich auch bei der Feuerbestattung umweltschädigende Stoffe in den Boden und ins Grundwasser.
Letzteres wird jedoch seit einigen Jahren durch die Verwendung von „Bio-Urnen“ weitgehend vermieden. Außerdem werden in den letzten Jahren viele Krematorien technisch aufgerüstet, damit die Emissionen und der Energieverbrauch gesenkt werden. Es gibt sogar einen Zusammenschluss solcher Krematorien und ein eigenes Zertifizierungsverfahren.
Eine nicht unwichtige Randbemerkung: Da auch bei einer Wald- oder Naturbestattung zunächst die Einäscherung erfolgen muss, ist diese Bestattungsform für viele Menschen, die an ihren eigenen ökologischen Fußabdruck nachdenken, nicht konsequent genug.
Reerdigung – Der Versuch eines neuen Weges
Der Stand „Meine Erde“ (der eigentliche Firmenname ist Circulum Vitae GmbH) war auf der Bestatterfachmesse im Mai 2022 in Düsseldorf einer der bestbesuchten. In der Branche hatte man den Begriff „Reerdigung“ schon zuvor gehört, und so waren viele Besucher neugierig, was sich dahinter verbirgt.
Hinter dem Wort, das natürlich bewusst und clever an den Begriff „Beerdigung“ angelehnt ist, steht ein beschleunigter Zersetzungsprozess des menschlichen Körpers, an dessen Ende Erde steht.
„Natural organic reduction“, so der englische Begriff, meint, dass der menschliche Leichnam innerhalb von 40 Tagen wieder zur Erde wird, die als Humus wieder verwendbar ist. Dazu wird der Körper, auf Stroh und Grünschnitt gebettet, in einen Kokon (der Begriff „Reaktor“ klingt weniger ökologisch) gelegt und durch Sauerstoff und Mikroorganismen zersetzt, kompostiert.
Vorteile aus der Sicht der Firma „Meine Erde“
Die Firma möchte nach eigenen Aussagen „einen Beitrag leisten, unseren Planeten zu schützen und lebenswert zu erhalten. Dafür wollen wir die Bestattungswelt revolutionieren – mit einer neuen, nachhaltigen und ökologisch vertretbaren Bestattungsform: der Reerdigung.“
Gleichzeitig tritt man an, um das Thema „Tod“ zu enttabuisieren und einen selbstverständlicheren Umgang damit zu intensivieren.
Ökologischer Mehrwert, wie ihn die Firma „Meine Erde“ darstellt
Wenn man davon sprechen möchte, sind wohl zwei Aspekte besonders hervorzuheben:
* Der Energieverbrauch im Vergleich zu einer Feuerbestattung ist deutlich geringer. Circa eine Tonne CO₂ soll jede Reerdigung gegenüber einer Feuerbestattung einsparen.
* Kohlenstoffe, die im Körper sind, werden gebunden, ein wertiger Humus entsteht.
Erste Reerdigungen haben inzwischen stattgefunden
Die erste Reerdigung in Deutschland fand in Mölln im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg statt, eine weitere, weltliche im Raum Hamburg. Bei dieser weltlichen Feier hat ein Kollege der BATF die Trauerrede gehalten.
Nach Ende des 40tägigen Reerdigungsprozesses wurde die Erde in ein nur 30 Zentimeter tiefes Grab gelegt. Darüber kam dann eine Schicht Friedhofserde.
Kostenpunkt und offene Fragen
„Meine Erde“ bewarb das Projekt auch als Bestattung für den „kleinen Geldbeutel“.
Doch neben den Reerdigungskosten entstehen ja weitere: Welche Kosten zusätzlich für die Einbringung der Erde auf einem Friedhof anfallen oder ob man eine Grabstätte bzw. ein Grabnutzungsrecht für ein Erdgrab erwerben muss? Das scheint der Fall zu sein, denn Pilotprojekte laufen meist unter anderen Vorgaben.
Ob die DNA des Menschen nach der Reerdigung in der entstandenen Erde nachzuweisen ist, wird von Firmenseite verneint. Von profilierten Gerichtsmedizinern wird dazu allerdings ein Mehr an Fakten und Untersuchungsergebnissen gefordert.
Offen ist auch die Frage, wie „Meine Erde“ darauf vorbereitet ist, falls diese Bestattungsform tatsächlich angenommen und gefragt sein wird: Wo kommen dann die ganzen „Kokons“ her, wo werden sie aufgestellt, betrieben und gewartet?
Etliche an ökologischer Bestattung Interessierte sind nahezu begeistert von dieser Möglichkeit, viele aus der Branche stehen dem Projekt „Reerdigung“ mit gewissen Vorbehalten gegenüber.
Vieles ist noch offen.
Als Trauerredner:innen sind wir nur bei der Verabschiedungsfeier Teil dieses Prozesses.
Diese so persönlich, wertschätzend und tröstlich mitzugestalten, ist unabhängig von der Bestattungsform unsere Aufgabe.